23. August 2021

Interview zur aktuellen Situation

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Wenner-Redaktion
Herr Potthoff-Wenner, Sie verarbeiten in Ihrem Unternehmen in Spitzenzeiten rund 500.000 Kartonagen pro Tag. Das sind schon einige Papiermengen die täglich Ihre Produktionsstraßen verlassen. Die Rohstoffpreise schwanken dabei im 24 Stunden-Takt. Können Sie überhaupt eine feste Preiszusage gegenüber Ihren Kunden machen?

Stephan Potthoff-Wenner
Eine langfristige Preiskalkulation ist nach wie vor eher unwahrscheinlich. Wir müssen uns wie andere auch an der Tendenz des Marktes orientieren. Aktuell noch intensiver denn je – tatsächlich täglich. Da lassen sich Preissteigerungen nach heutiger Sicht nicht vermeiden, denn – das können sich viele gar nicht vorstellen – der Rohstoff Altpapier wird zunehmend knapper. Wird eine Ressource knapper, steigt natürlich ihr Preis. Momentan liegt die Preissteigerung der Rohstoffe in unserer Branche zwischen 30 und 40 %. Die erste Preissteigerung stößt nicht unbedingt sofort auf Verständnis. Das ist durchaus nachvollziehbar. Erst mit wachsendem Bewusstsein für die aktuelle Situation wächst auch die Akzeptanz einer weiteren Preissteigerung, die eben unvermeidbar ist. Dafür braucht es eine gute Kommunikation und Vertrauen. Dass steigende Rohstoffpreise automatisch steigende Produktionspreise nach sich ziehen, ist kein Geheimnis.

Wenner-Redaktion
Aktuell unterliegen Sie einer Rohstoff-Verknappung, d. h. es stehen nicht genügend Rohstoffe weltweit zur Verfügung. Bitte erläutern Sie uns kurz Ihre Einschätzung, warum es zu einer solchen Situation gekommen ist!

Stephan Potthoff-Wenner
Dafür gibt es verschiedene Gründe:
die aktuell sicher ausschlaggebende ist gerade in 2020/2021 die Situation um die weltweiten Folgen der Pandemie. Auch bei uns hat diese ihre Spuren hinterlassen. Bei vielen Vorlieferanten wurden ganze Produktionen eingestellt, die bis heute entweder gar nicht oder nicht zu 100 % wieder aufgenommen worden sind. Dies und die dazwischen liegende Logistikbranche haben selbstverständlich zu Lieferengpässen von Rohmaterial geführt.

Ein weiterer Grund liegt u. a. auch in dem wachsenden Umweltbewusstsein, das sich während der Pandemie rasant entwickelt hat. Nicht erst heute gibt es Menschen, die für den Naturschutz plädieren. Aber gerade jetzt, wo durch die Lockdowns auch die Auswirkungen auf die Natur in den Vordergrund gerückt sind, wo Menschen plötzlich aus Angst um ihre Gesundheit noch stärker für die Gefahren unserer Lebensweise sensibilisiert wurden, für so vieles, was zuvor nur schleichend in das Blickfeld geraten war und oft auch wieder in die Ecke gestellt wurde, wo der Klimawandel nun zeitgleich zu Naturkatastrophen geführt hat, die ein verheerendes Ausmaß haben für unser ganzes Land – wenn wir einmal nur dieses betrachten möchten – sich eben nicht in der Ferne abspielen, sondern sich auch bei uns ereignen, da denken die Verbraucher um. Wesentlich schneller, ja sofort bitte.
Entsprechend geht man nun spontan mehr und mehr dazu über, statt der bisher stark genutzten Kunststoffverpackungen immer mehr in umweltverträglichen Alternativen, wie z. B. Karton zu verpacken und zu präsentieren. Das führt zwangläufig zu einem steigenden Bedarf an Rohstoffen zur Kartonagenherstellung, welcher in großem Maße für uns als Produzenten das Altpapier ist. Diese so plötzliche Änderung im Verhalten der Verbraucher aber auch der nun augenblicklich eingeleiteten Maßnahmen der Politik waren nicht schon langfristig vorhersehbar, sondern haben uns tempomäßig quasi überrollt. Die Folge ist: Rohstoffmangel – Mangel an einem Rohstoff, der für uns bei Wenner insbesondere Altpapier heißt.

Wenner-Redaktion
Gerade als ein Teil der HZI-Gruppe haben Sie als Kartonagen-Produzent hervorragende Möglichkeiten, an recycelten Rohstoff zu kommen. Warum hat selbst Ihr Unternehmen solche Rohstoff-Engpässe, mit denen Sie sich täglich erneut auseinandersetzen müssen?

Stephan Potthoff-Wenner
Es ist richtig, dass wir uns damit auseinandersetzen müssen. Alles andere wäre fatal. Auch als Mitglied der HZI-Gruppe können wir nicht unendlich aus dem Vollen schöpfen. Die vorgenannten Gründe betreffen ja auch uns.

Wenner-Redaktion
Und nun noch eine letzte Frage: „Wie begegnen Sie dieser nicht ganz einfachen Situation und was können Sie konkret dagegen tun?

Stephan Potthoff-Wenner
Nun sind wir in der komfortablen Situation, zur HZI-Gruppe zu gehören und damit zu den Unternehmen, die bei der Belieferung in der ersten Reihe sitzen, wenn man das einmal so ausdrücken darf. Und das ist auch gut so. Denn unsere enormen Auftragsmengen sollen auch weiterhin termingetreu abgewickelt werden können, bzw. wir möchten unseren Kunden in ihren Ansprüchen weiterhin wie gewohnt gerecht werden. Dafür haben wir in den letzten Jahren immer wieder investiert. Alle unsere Investitionen waren und sind auf diese Nachfrage nach Kartonagen ausgelegt, um der seit langem absehbaren Situation optimal begegnen zu können. Längst hat es sich ja abgezeichnet, dass sich die Gesamtsituation ändert und vieles nicht mehr so geht, wie noch vor Jahren.
Eben deshalb haben auch wir uns verändert / der aktuellen Situation und Entwicklung angepasst. Haben in das Unternehmen investiert mit modernster Technik, haben uns der HZI-Gruppe angeschlossen, um ein großes Netzwerk nutzen zu können. Unsere Kunden kommen in der Hauptsache aus der Lebensmittelbranche. Da gehört Termintreue unseren Kunden gegenüber zum A und O. Denn Lebensmittel haben nun einmal einen MHD. Der lässt sich nicht mal eben aufhalten.
Bisher konnten wir unsere Aufträge noch immer zur vollen Zufriedenheit unserer Kunden abwickeln trotz Engpässen bei der Zulieferung von Rohstoffen. Das verdanken wir u. a. auch unserem ausgesprochen großen Lager von bis zu 25.000 Paletten. Was wir nicht selbst ad hoc bedienen konnten, haben wir in der Gruppe an Schwesterunternehmen vermittelt und durch Lohnfertigung unsere Kunden wunschgemäß beliefern können.

Nicht nur unsere Bestandskunden wurden bisher von uns bei Wenner wie gewohnt versorgt. Aktuell gibt es eine große Anzahl von Unternehmen, u. a. solche, mit denen wir auch früher schon einmal zusammengearbeitet haben, und die neu mit Ihren Anfragen auf uns zukommen. Auch diese mussten und möchten wir in Zukunft nicht abweisen sondern sehr gern den Anfragen gerecht werden.

Sind Lieferschwierigkeiten unserer Lieferanten absehbar, weil sie frühzeitig bekannt und damit berechenbar sind, können wir diesen mit den notwendigen Mitteln begegnen. Wie etwa dann, wenn wir die Modernisierungsarbeiten an den Kartonmaschinen im Schwesterunternehmen der Papier- und Kartonfabrik Varel für uns einkalkulieren müssen.
Bis Mitte KW 33 werden wir für ein paar Tage auf Belieferung verzichten müssen, damit hier modernste Technik schon sehr bald für einen weitaus größeren Output sorgen wird. In dieser Zeit werden wir auf unsere Ressourcen zurückgreifen, um unseren Kunden dennoch angemessen Ihren Bedarf zu decken. Und in Kürze können wir dann tatsächlich aus dem Vollen schöpfen – vorausgesetzt, es läuft wie geplant.

Unsere Kunden haben gerade in dieser Konstellation, wie wir sie nun durch die Zugehörigkeit zur Gruppe haben – einen wirklich starken Partner an ihrer Seite.

Wenner-Redaktion
Vielen lieben Dank, Herr Potthoff-Wenner für diese sehr interessanten und wirklich informativen Ausführungen. Eigentlich meint man ja immer, dass Altpapier kein Thema sein dürfte bei den vorhandenen Müllbergen. Da haben uns Ihre Antworten heute eine ganz neue Sichtweise vermitteln können.


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